Impfen oder nicht?

Viele Angehörige von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen stellen sich derzeit die Frage: Impfen oder nicht?

Mittlerweile wissen wir, dass eine Covid-19-Erkrankung jeden treffen kann, und keiner kann dabei ausschließen, dass die Krankheit auch einen schweren oder sogar tödlichen Verlauf nehmen kann. Will man sein Leben nicht in beinahe kompletter Isolation fortführen, so erscheint die Aussicht auf eine baldige Impfung für viele daher wie eine Rettung in letzter Not! Doch auch eine Impfung birgt die Gefahr potentieller Nebenwirkungen in sich, zumal die Auswirkungen der Covid-19-Impfung bei speziellen Krankheitsbildern, die für einzelne Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung typisch sind, noch zu wenig erforscht sind.

Die Impfung erfolgt auf freiwilliger Basis, das bedeutet aber, dass jeder und jede ihre oder seine „informierte Zustimmung“ zur Impfung mit ihrer oder seiner Unterschrift abgeben muss, wenn sie oder er geimpft werden will. Dies geschieht mittels eines Formblatts des Gesundheitsministeriums (Stand 14.1.).

Schwierige Risikoabwägung Krankheit versus Impfschaden

Angehörige, vor allem ErwachsenenvertreterInnen für medizinische Angelegenheiten, stehen also vor der schwierigen Situation, eine fundierte Risikoabwägung zwischen möglichen Covid-19-Krankheitsfolgen und möglichen Impfschäden gemeinsam mit dem betroffenen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung vornehmen zu müssen.

Natürlich empfiehlt es sich dabei, einen Arzt oder eine Ärztin des Vertrauens zu Rate zu ziehen. Was aber, wenn auch diese MedizinerInnen über zu wenig Informationen verfügen, als dass sie eine klare Empfehlung für oder gegen eine Impfung aussprechen können? Auf der Homepage des Gesundheitsministeriums finden sich in den „Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums“ (Stand 12.1) zwar einige Daten zu bekannten Nebenwirkungen. Doch über viele seltenere Krankheitsbilder gibt es (noch) keine Daten.

Was also tun?

Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung haben ein höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken, weil sie oft die Hygiene- und Abstandregeln nicht einhalten können, und weil sie aufgrund verschiedener Vorerkrankungen empfindlicher für schwere Krankheitsverläufe sind. Dies ist mittlerweile in mehreren Studien festgestellt worden, speziell für Menschen mit Down Syndrom. Deswegen weist das Gesundheitsministerium neben Menschen mit intellektuellen Behinderungen im Allgemeinen nochmals extra Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) als Personen mit hohem Risiko aus und gibt ihnen im Priorisierungsplan des Nationalen Impfgremiums (Stand: 12.1., Tabelle 2, Seite 5) die zweithöchste von insgesamt sieben Prioritätsstufen. Doch auch Menschen mit intellektuellen Behinderungen im Allgemeinen sowohl in betreuten Einrichtungen als auch in eigenem Zuhause (mit persönlicher Assistenz) gelten laut diesem Priorisierungsplan als Personen mit hohem Covid-19-Krankheitsrisiko.

Wer sich also bei speziellen Begleiterkrankungen wie Epilepsie oder Autoimmunerkrankungen beim Facharzt oder der Fachärztin des Vertrauens betreff allfälliger Impfnebenwirkungen zusätzlich absichert, eventuell auch noch ein wenig zuwartet, bis erste Ergebnisse aus den millionenfachen weltweiten Impfungen vorliegen, wird nach Abwägung aller Risken wohl in aller Regel zum Schluss kommen, dass eine Impfung mit Sicherheit viel mehr Vorteile als Nachteile bringen wird!

19.1.21/lhw-bs
Bernhard Schmid, Vater eines 28jährigen Sohnes mit Down-Syndrom

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